
Infektionen bei Neutropenie
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Infektio-Guide / KAROW PHARMAKOLOGIE 2022 Infektio-Guide / KAROW PHARMAKOLOGIE 2022 Infektio-Guide / KAR
Bei Patienten mit Granulozytopenie und Fieber > 380C ohne Hinweis auf eine nicht-infektiöse Genese
muß von einer bakteriellen Infektion ausgegangen werden. Beachte: Fieber ist oft das einzige
Infektionszeichen. Nach vorheriger Kulturgewinnung (Blut, Urin, Katheterlumina, Abstrich) erfolgt eine
sofortige empirische Therapie mit Breitspektrumantibiotika, wobei je nach Kulturergebnis eine
Therapieergänzung, nicht hingegen eine Einengung des Spektrums durchgeführt wird. Eine
Monotherapie mit schmalem Spektrum ist kontraindiziert. Bei persistierender Granulozytopenie besteht
ein hohes Risiko der Zweit- und Mehrfachinfektion (u.a. Candida, Aspergillus). Bei Verschlechterung,
anhaltenden Temperaturen (> 7 d) oder erneutem Fieber nach initialer Besserung ist eine empirische
antimykotische Therapie sinnvoll ( 9.6.6.3).
Besonderheit Lungeninfiltrate: Lungeninfiltrate sind bei Fieberbeginn in bis zu 50 % durch Pilze bedingt.
Nach vorheriger Antibiotikagabe sind als Ursache für ein Lungeninfiltrat auszuschließen: Pneumocystis
carinii nach Cotrimoxazol, Legionellen nach Makrolid oder Flurochinolon, Streptokokken nach Penicillin V.
Bei Lungeninfiltrat unter antibiotischer Therapie, fehlender Besserung unter antibiotischer Therapie oder
vermuteter/gesicherter Pilzätiologie ist eine antimykotische Therapie indiziert.
Therapieempfehlungen
Hochrisikopatienten
Therapiebeginn bei Verschlechterung *
initiale Therapie Piperacillin/Tazobactam oder Ceftazidim
oder Cefepim plus Aminoglykosid
Imipenem/Cilastatin oder
Meropenem
alternativ Piperacillin/Tazobactam oder Ceftazidim
oder Cefepim oder Imipenem/Cilastatin
oder Meropenem
zusätzlich Aminoglykosid
Allergie gegen Beta-
Lactam-Antibiotika
Ciprofloxacin oder Levofloxacin
plus Aminoglykosid oder Glykopeptid
Niereninsuffizienz, Z.n.
nephrotox.Therapie
Doppel-Beta-Lactam-Therapie:
Cephalosporin III. Gen. plus Piperacillin/Tazobactam
Niedrigrisikopatienten
initial orale Therapie Ciprofloxacin (p.o.) oder Levofloxacin (p.o.)
plus Amoxicillin/Clavulansäure (p.o.)
alternativ iv. andere Cephalosporine III. Gen. + Aminoglykosid oder initiale
Therapie wie bei Hochrisikopatienten
Tab. 9.74.: antibiotische Therapieempfehlung.
* erwäge bei Verschlechterung zusätzlich antimykotische Therapie 9.6.6.3
Beachte: häufige Fehler bei der Interpretation mikrobiologischer Befunde
− Bewertung kolonisierender Mikroorganismen (vergrünende Streptokokken, koagulasenegative
Staphylokokken) aus Mundhöhle oder Oropharynx als Erreger pulmonaler Infiltrate
− Bewertung einer unter Antibiotikatherapie selektierten Restflora (z.B. Enterokokken unter Cephalosporinen)
als ätiologisch relevante Infektionserreger
− Bewertung von Verunreinigungen in der Blutkultur als Bakteriämieerreger (einmaliger Nachweis von
Corynebakterien/Propionibakterien oder koagulasenegativen Staphylokokken), v.a. bei Abnahme
solcher Blutkulturen aus liegenden Venenkathetern
− falsche Kausalzusammenhänge zwischen Keimnachweis und manifester Infektion (z.B. koagulasenegative
Staphylokokken in der Blutkultur bei Lungeninfiltraten)
Empirische Therapie bei Neutropenie: breites Spektrum, Beginn vor Erregernachweis,
nach Erregernachweis keine gezielte Therapieeinengung.