Virusinfektionen 260
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9.6.4.3 Prophylaxe und Therapie opportunistischer Infektionen
CDC/NIH: Treating opportunistic infections among HIV-infected adults and adolescents
Bei unbehandelten oder unzureichend behandelten HIV-Infizierten fällt die CD4-Zahl – meist
nach Jahren – unter die kritische Grenze von 200/μl. Dadurch entsteht ein hohes Risiko für
opportunistische Erkrankungen. Beachte: je schlechter der Immunstatus, umso
wahrscheinlicher entstehen opportunistische Infektionen.
Opportunistische Infektionen sind (in den westlichen Industrieländern) unter cART viel seltener
(nur noch ≈ 1/10) als in der prä-cART-Ära und werden länger überlebt. Die meisten Patienten,
die an AIDS oder opportunistischen Infektionen erkranken, wissen nichts von ihrer HIVInfektion.
Es existieren CD4-Richtwerte, unterhalb derer mit bestimmten AIDS-Erkrankungen zu rechnen
ist bzw. oberhalb derer bestimmte Infektionen unwahrscheinlich sind (Ausnahmen sind
möglich). Beachte: durch Kenntnis des akuten Immunstatus können bestimmte opportunistische
Infektionen weitgehend ausgeschlossen werden.
CD4-Schwellenwert AIDS-Erkrankung
ohne Grenze Kaposi-Sarkom, Lungen-Tuberkulose, Herpes zoster,
bakterielle Pneumonie, Lymphom
ab < 250/μl Pneumocystis-Pneumonie, Soor-Ösophagitis, Herpes
simplex, progressive multifokale Leukoenzephalopathie
ab < 100/μl Zerebrale Toxoplasmose, HIV-Enzephalopathie,
Krytokokkose, Miliartuberkulose
ab < 50 /μl CMV-Retinitis, Kryptosporidiose, atypische Mykobakteriose
Tab. 9.80: CD4-Schwellenwerte, unterhalb derer bestimmte AIDS-Erkrankungen
bevorzugt auftreten.
Die beste Prophylaxe opportunistischer Infektionen ist eine effektive antiretrovirale Therapie.
Bei Unterschreiten bestimmter CD4-Grenzwerte wird zudem eine spezifische Prophylaxe
durchgeführt.
Die Therapie opportunistischer Infektionen besteht aus einer spezifischen Pharmakotherapie
und bei unbehandelten HIV-Patienten durch raschen Beginn einer cART. Bei ausreichender
Immunrekonstitution unter cART können spezifische Erhaltungstherapien oder Prophylaxen
abgesetzt werden.
Bei vielen opportunistischen Infektionen kann die Erregerdiagnostik schwierig sein, daher
Erregermaterial an Referenzlabore schicken. Zudem gilt: je schlechter der Immunstatus, desto
früher eine invasive Diagnostik.
Merke: bei opportunistischen Infektionen von nicht antiretroviral vorbehandelten Patienten kann
eine sofortige antiretrovirale Therapie durch die akute Reduktion der Viruslast die Abheilung
entscheidend begünstigen.
9.6.4.3.1 Pneumocystis–Pneumonie (PCP)
Interstitielle Pneumonie durch den Schlauchpilz P. jiroveci (früher P. carinii – die Erkrankung heißt nicht
mehr Pneumocystis-carinii-Pneumonie, sondern Pneumocystis-Pneumonie – die Abkürzung bleibt PCP).
Die Pneumocystis-Pneumonie ist eine der häufigsten opportunistischen Infektionen und tritt oft als
Erstmanifestation von AIDS auf. Der häufigste Grund für eine verzögerte Behandlung ist die Unkenntnis
der HIV-Infektion und Deutung der Symptome als "versteckte Grippe". Typisch ist der subakute Verlauf.
Klinik: Trias: trockener Reizhusten, subfebrile Temperaturen, langsam progrediente Belastungsdyspnoe.
Diagnose: Röntgen-Thorax mit schmetterlingsförmiger interstitieller Zeichnung (milchglasartig), ggfs. CT,
Erregernachweis per bronchoalveolärer Lavage (BAL). Laborchemisch LDH-Erhöhung (unspezif. Marker
für Zelluntergang).