Virusinfektionen 269
Infektio-Guide / KAROW PHARMAKOLOGIE 2022 Infektio-Guide / KAROW PHARMAKOLOGIE 2022 Infektio-Guide / KAR
Virus/
Erkrankung
antivirale
Therapie
Besonderheiten
Tollwut-Virus
(Rabies-Virus)
keine verfügbar − Sterblichkeit unbehandelt 100 %
− Überleben nur bei Impfung bzw. Tollwut-Immunglobulin
vor Beginn der Symptomatik
− Prävention: Impfung ( 9.7.4)
Respiratory-syncytial-
Virus (RSV)
− Atemwegsinfektionen
keine gesicherte
Empfehlung (bislang
keine Therapie mit
Überlebensvorteil)
− Atemwegsinfektionen (mit bedeutender Sterblichkeit) v.a. bei
Säuglingen, Kleinkindern, kardiorespiratorisch Vorerkrankten
(v.a. Kleinkindern) und Immunsupprimierten
− Prophylaxe: RSV-Hyperimmunglobulin, Palivizumab (monoklonaler
Antikörper gegen RSV)
− Therapie: Ribavirin-Aerosol (aber unzureichende Evidenz)
Rhinovirus
− Erkältung
keine − Erkältung, Atemwegsinfekte bei Kindern
− symptomatische Therapie
Rotavirus
− Diarrhoe
keine verfügbar − führende Ursache schwerer Diarrhoen bei Kindern weltweit
− symptomatische Therapie
Tab. 9.89: Übersicht antivirale Therapie. modifiziert aus „The Sanford Guide to Antimicrobial therapy“
9.6.5.3 Antivirale Therapie des Herpes zoster
European consensus-based (S2k) Guideline on the management of Herpes Zoster (2017)
Einführung:
Herpes zoster ≈ Reaktivierung der endogen im Nervensystem persistierenden Varizella-Zoster-Viren
(VZV): nach der primären Infektion (Varizellen ≈ Windpocken) kommt es zur latenten VZV-Persistenz in
sensorischen Ganglien, bei Reaktivierung wandern VZV entlang der sensorischen Nerven zur Haut.
Ursache ist die Abnahme der T-Zellimmunität gegen VZV mit dem Alter bzw. unter Immunsuppression.
Relevant für den Schutz gegen Zoster sind v.a. VZV-spezifische CD4+ T-Zellen. Im Alter besteht keine
relevante Abnahme der VZV-IgG-Titer, somit fortbestehender Schutz gegen 2. Windpocken.
Immunkompetente Personen erkranken üblicherweise nur einmal im Leben an Zoster.
Klinik: in 80 % Prodromalstadium (3-5 d) mit allgemeinem Krankheitsgefühl, leichtem Fieber sowie
(brennenden) Schmerzen und Parästhesien im betroffenen Dermatom (bevorzugt thorakale Dermatome:
50 %, Kopf: 20%). Im betroffenen Dermatom bildet sich ein schmerzhaftes Erythem, in dem sich
innerhalb 12-24 h gruppiert stehende Bläschen bilden, die nach 2-4 weiteren Tagen konfluieren. Die
Bläschen trocknen ab dem 3. Tag ein und trocknen über 7-12 Tage ab, wobei die Krusten sich nach 2-3
Wochen lösen. Nach Abklingen von akuten Schmerzen und Hautveränderungen können stark beeinträchtigende
chronische Zosterschmerzen (≈ postzosterische ≈ postherpetische Neuralgien) auftreten.
Komplikationen: postzosterische Neuralgie (häufigste Komplikation; je älter, umso häufiger: > 55 J.: ¼, >
70 J.: ¾ der Patienten), bakterielle Superinfektion, Einblutungen. Gefürchtet sind kutane oder viszerale
Dissemierung (v.a. bei Immunsuppression). Bei Zoster im Kopfbereich drohen Zoster oticus mit
Fazialisparese (auch als Zoster sine herpete möglich), Zoster ophthalmicus (Augenmuskelparesen,
selten Retinanekrose), selten mit ZNS-Beteiligung (Meningoenzephalitis, Enzephalomyelitis).
Herpes zoster ist charakterisiert durch unilaterale, gruppierte Bläschen innerhalb 1 Dermatoms mit
starken Schmerzen. Am häufigsten sind mittlere Thoraxsegmente und N. trigeminus I betroffen (Zoster
ophthalmicus). Ursache ist eine Abnahme der T-Zellimmunität mit dem Alter bzw. unter
Immunsuppression. Häufigste und wichtigste Komplikation sind postzosterische Schmerzen.
Bei typischer Manifestation klinische Diagnose. Wenn unsicher, erwäge PCR oder Antigen-basierte Tests
(direkte Fluoreszenztestung) aus Bläschen bzw. Läsionen. Bei spezifischer Lokalisation => HNO- bzw. Augenarzt.
Der Herpes zoster ist üblicherweise selbstlimitierend. Der umschriebene Zoster an Stamm und
Extremitäten heilt bei jungen, immunkompetenten Personen i.d.R. auch ohne antivirale Therapie
folgenlos aus. Eine antivirale Therapie ist v.a. bei kompliziertem Verlauf indiziert (s.u.)
Therapieziele sind: Verkürzung der akuten Krankheitsphase (akute Schmerzen ↓, Abheilung ↑, Narben
↓), Verhinderung von Komplikationen und eine Verhinderung der Postzosterneuralgie ( 7.4.2.2).
Indikationen zur antiviralen Therapie:
dringende Indikation:
(dringend ≈ schnellstmöglich innerhalb von 72 h nach Beginn der Hautsymptomatik; späterer Beginn sinnvoll bei
frischen Bläschen, viszeraler Ausbreitung, Zoster ophthalmicus, Zoster oticus und allen Immunsupprimierten)
− Zoster jeder Lokalisation bei Patienten ≥ 50 J
− Zoster im Kopf-Hals-Bereich (jedes Alter)