11. Arzneitherapie in der Neurologie 204
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11.7 Antimikrobielle Therapie in der Neurologie
11.7.1 Meningitis (DGN 2016)
Definition:
− akute Meningitis: Entzündung der Leptomeningen mit Entwicklung der Symptomatik
innerhalb von Stunden bis wenigen Tagen
− chronische Meningitis: Entzündung der Leptomeningen und Pleozytose über > 4 Wo.
Befunde bakteriell viral tuberkulös
Zellzahl/μl > 1000 < 1000 < 1000
Zytologie granulozytär lymphozytär gemischtzellig
Zucker* erniedrigt normal erniedrigt
Laktat (mmol/l) > 3,5 < 3,5 > 3,5
Gesamteiweiß (mg/dl) > 100 < 100 > 100
Blut-Hirn-Schranke schwer gestört normal bis leicht gestört schwer gestört
Liquor
Intrathekale Ig-Synthese im Verlauf IgA, IgG im Verlauf IgG im Verlauf IgA
Beginn akut akut schleichend
Temperatur hoch leicht-mässig erhöht leicht-mässig erhöht
Klinik
Nackensteife hochgradig
Tab. 11.17: klinische Einteilung der Meningitiden (DGN 2016).
* erniedrigte Glukosespiegel durch Zellen, die Glukose metabolisieren (meist Bakterien), Viren haben keinen Stoffwechsel.
Symptome:
− Leitsymptome: Kopfschmerzen, Fieber, Meningismus
− ferner: Übelkeit, Erbrechen, Lichtscheu, Verwirrtheit, Vigilanzstörung, epileptische Anfälle
− Bei Exanthem (makulopapulös oder petechial) oder ausgedehnter Purpura mit Hautnekrosen an
Waterhouse-Friderichsen-Syndrom denken: sofortiges Antibiotikum ist lebensrettend
− Zerebrale Komplikationen: Hirnödem mit Einklemmungsgefahr (10-15 %), Gefäßkomplikationen
(15-20 %) mit arteriellen Ischämien (Paresen) oder septischen Thrombosen, Hydrozephalus (10-
15 %), Hörstörungen/Vestibulopathie (10-20 %), Hirnnervenparesen (10 %): III, VI, VII, VIII in
abnehmender Häufigkeit (u.a. Sehstörungen), epileptische Anfälle (2-15 %), selten: Hirnabszess,
subdurales Empyem
− extrazerebrale Komplikationen: septischer Schock, ARDS, Verbrauchskoagulopathie
Bei Kopfschmerzen, hohem Fieber und Meningismus an bakterielle Meningitis denken.
Therapiegrundlagen (empirische Therapie)
V.a. bakterielle Meningitis
Bewusstseinsstörung ? fokal-neurologisches Defizit ?
epileptische Anfälle ? Immunsuppression ?
nein
ja
Blutkulturen
Bei Erwachsenen mit V.a.
bakterielle Meningitis soll direkt
nach Untersuchung (keine
Bewusstseinsstörung, kein fokalneurologisches
Defizit, keine
Anfälle in den letzten Tagen, keine
Immunsuppression) die Liquorentnahme
folgen. Dann sofort
Dexamethason und Antibiotika i.v.
Falls Hinweise für erhöhten
Hirndruck (s.o.) zuerst Dexamethason
und Antibiotika, dann
Bildgebung. Liquorentnahme erst
nach Ausschluß eines erhöhten
Hirndrucks (Hirnödem, Hydrozephalus,
Hirnabszess), da sonst
Einklemmungsgefahr.
Lumbalpunktion empirisch Antibiotika
+ Dexamethason
empirisch Antibiotika
+ Dexamethason Schädel CT: kein Hirndruck
Schädel CT Lumbalpunktion
Abb. 11.3: Vorgehen bei V.a. bakterielle Meningitis (DGN 2016).