Tuberkulose 287
Infektio-Guide / KAROW PHARMAKOLOGIE 2022 Infektio-Guide / KAROW PHARMAKOLOGIE 2022 Infektio-Guide / KAR
− Mykobakterien werden unterteilt in:
− klassische Mykobakterien ≈ Tuberkulosebakterien: M. tuberkulosis, sehr selten: M. bovis, M. africanum
− atypische Mykobakterien: M. kansaii, M. avium, M. simiae, u.a.
− M. leprae ≈ Erreger der Lepra
− Beim tuberkulösen Patienten kommen Tuberkulosebakterien in 3 Zustandsformen vor:
− metabolisch aktiv, extrazelluläre Lage
− metabolisch wenig aktiv, intrazelluläre Lage (in Makrophagen)
− als Persister in verkäsenden Nekrosen (erhebliche Gefahr einer Tbc-Reaktivierung !)
− Tuberkulose ist in Deutschland weiterhin selten (ansteigend wegen Migration; in 2015: Inzidenz 7/100.000),
weltweit dagegen häufig (125-130/100.000), davon 60 % in Asien, 25 % in Afrika
− Gehäuft Koinfektion Tuberkulose + HIV: in Deutschland 5 %, weltweit 11 %, südl. Afrika bis 50 %
− Latente Tuberkulose-Infektion (LTBI): Persistenz vitaler Erreger nach Infektion, damit Gefahr
einer Tb-Reaktivierung. Nachweis: Tuberkulin-Hauttest oder IGRA sind positiv (= Immunreaktion auf Tb-Antigene),
aber keine aktive Infektion.
− offene Tbc: Erkrankung hat Anschluss an Bronchialsystem und kann aerogen verbreitet werden:
=> Patienten-Isolation bis 3 x respiratorisches Material (an unterschiedl. Tagen) mikrobiol. negativ
Diagnostik:
− Empfehlung für Interferon-γ-Release-Assays (IGRA), da sensitiver und spezifischer als Tuberkulin-Hauttests
(THT). Der THT ist wegen der Kreuzreaktivität mit BCG-Geimpften und nicht-tuberkulösen Mykobakterien
nur gering spezifisch. Aber: weder IGRA noch THT können zwischen latenter tuberkulöser Infektion (LTBI)
und aktiver Tbc noch zwischen frischer und länger bestehender Tbc unterscheiden.
− Mikroskopie: Nachweis säurefester Stäbchen als schnellster und günstigste Diagnostik. Hochinfektiöse Pat
(mikroskopisch-positiv) schnell erkennbar, aber Mikroskopie weniger sensitiv als Kultur (20-80 %).
− Kultur: Goldstandard des Erregernachweises, obligat bei Verdacht auf Tuberkulose (positiv frühestens nach
1-3 Wochen, Gesamtkulturzeit 8-12 Wo)
− Molekularbiologisch: Nukleinsäureamplikationstest = NAT: Nachweis von Tb-Bakterien, sensitiver als
Mikroskopie, aber weniger sensitiv als Kultur. Negative PCR schliesst Tuberkulose nicht aus. PCR nicht als
Screening, sondern bei besonderer Gefährung (Kinder, HIV), Miliar-Tb oder ZNS-Tb.
− Molekularbiologisch: Resistenztestung durch Nachweis von Mutationen im Genom der Tb-Bakterien
Resistenzen:
− problematisch sind zunehmende Resistenzen: multiresistente Tbc (MDR-TB: Resistenz mindestens gegen
Isoniazid und Rifampicin) bei 15 % (Europa) aller Neuerkrankungen und 44 % aller Rezidive (weltweit 3,7 %
bzw. 20 %), extensive Resistenz (XDR-TB: MDR-Resistenz plus Resistenz gegen Fluorchinolon und i.v.-
Zeitlinienmedikament (Aminoglykosid), ca. 9 % aller MDR-TB. Wichtigste Risikofaktoren für Resistenz sind:
(a) Vortherapie (über mind. 4 Wo.), (b) Herkunft aus Ländern mit hoher Resistenz (ehemalige UDSSR,
Indien, China), (c) Kontakt zu Indexfall mit Resistenz.
Empfindlichkeitsprüfung:
− Phänotypische Resistenztestung immer noch Standard, üblich ist Prüfung der Standardmedikamente,
Analysezeit 7-10 Tage
− Genotypische Resistenztestung: empfohlen bei Resistenzrisikofaktoren, immer auch phänotypische
Resistenztestung (da v.a. bei INH-Resistenz nicht alle Mutationen erfasst werden)
Allgemeine Therapieempfehlungen
Die antituberkulöse Therapie ist eine langdauernde Kombinationstherapie, um (a)
Resistenzentwicklungen zu vermeiden, (b) alle Zustandsformen der Mykobakterien (mit folglich
unterschiedlicher Empfindlichkeit gegen Antituberkulotika) zu therapieren, (c) Rezidive durch Persister zu
vermeiden.
Standardmedikamente (≈ Erstrangmedikamente) sind Isoniazid, Rifampicin,
Pyrazinamid und Ethambutol. Reservemedikamente (≈ Zweitrangmedikamente) sind
nur bei Resistenz gegen Erstrangpräparate und immer in Kombination mit weiteren
Antituberkulotika entsprechend der Resistenztestung indiziert.
Wirkstärke: Isoniazid, Rifampicin, Pyrazinamid > Ethambutol > Streptomycin. Bis zum Vorliegen eines
Antibiogramms erfolgt eine empirische Therapie.
Standardtherapie (bei unkomplizierter Lungen-Tbc, keine Risikofaktoren für Resistenz)
über 6 Monate: 4-fach Kombination für 2 Monate, dann 2-fach Kombination für 4
Monate. INH und RMP sind die wichtigsten bakteriziden und resistenzvermeidenen Pharmaka und
dezimieren große Erregermengen zu Erkrankungsbeginn. RMP und PZA sind die wichtigsten
sterilisierenden Pharmaka zwecks dauerhafter Elimination der Mykobakterien.
− Initialphase: INH + RMP + PZA + EMB für 2 Monate (bei ZNS-Befall ersetze EMB durch SM)
− Kontinuitätsphase: INH + RMP für 4 Monate (bei ZNS-Befall für 10 Monate)
übliche Initialphase als 4-fach Kombination (INH + RMP + PZA + EMB) über 2 Monate