Virusinfektionen 273
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9.2.6.2 Neuraminidase-Inhibitoren und Influenza
Oseltamivir Tamiflu® Zanamivir Relenza®
CHARAKTERISTIKA:
− Zanamivir: inhalative Gabe, Oseltamivir: orale Gabe
− Effekt: Hemmung der viruseigenen Neuraminidase (Neuraminidase ist ein Oberflächenantigen
von Influanzaviren und für die Virusinfektion anderer Zellen
verantwortlich) => Hemmung der Virusreplikation
− Verkürzung der Krankheitsdauer um 1.0-2.5 Tage, geringere Symptomatik
In Zulassungsstudien (Patienten mit niedrigen Komplikationsraten) obige Effekte, in neuen
Untersuchungen mit schwerem Verlauf oder hohem Risiko (Immunsupprimierte) auch reduzierte
Sterblichkeit.
− Wirkung nur bei raschem Gebrauch (innerhalb von 1-2 d nach Symptombeginn)
− keine spezifischen Nebenwirkungen bekannt
− Anwendung: Therapie der Virusgrippe (Influenza A + B) bei typischen Influenza-
Symptomen (Fieber + Husten + bekannte Influenza-Verbreitung). Beide Präparate
sind auch für die Prophylaxe (nach engem Kontakt mit klinisch diagnostiziertem Influenzafall,
wenn Influenza in der Bevölkerung auftritt) zugelassen.
− Influenza-Prophylaxe: in Postexpositionsprophylaxe Erwachsene NNT (number needed to
treat) 8-22, in Langzeitprophylaxe NNT 14-55
− Influenza-Therapie: Neuraminidaseinhibitoren verkürzen die Krankheitsdauer um 0,5-1,5 Tage
(wenn Therapiebeginn innerhalb 48 h nach Symptombeginn). Keine gesicherte Verminderung
von Pneumonien, schweren Erkrankungsverläufen oder Letalität; in Beobachtungsstudien
Hinweise für verminderte Sterblichkeit.
− bislang keine therapeutischen Alternativen, daher im Pandemiefall sinnvoll (bei guter
Verträglichkeit)
− Neuraminidase-Hemmer wirken gegen die echte Virusgrippe incl. der Vogelgrippe (H5N1) und
Schweinegrippe (H1N1), hingegen nicht gegen die starke Erkältung durch RS-Viren.
− Vogelgrippe: klinische Daten zur Vogelgrippe existieren bislang nicht, tierexperimentell besteht
bei Gabe innerhalb der ersten 48 h nach Infektion eine ausgeprägte Sterblichkeitssenkung. Bei
einer Pandemie (z.B. bei Veränderung von H5N1 mit besserer Übertragung von Mensch zu
Mensch) werden diese Substanzen als wichtig in der Initialphase (bis zur Verfügbarkeit eines
Impfstoffes) angesehen.
Empfehlungen Neuraminidase-Hemmer (WHO, ECDC/CDC):
− zur Influenza-Therapie: bei bestätigter oder vermuteter Influenza und (a) Hospitalisation
bzw. schwerer Erkrankung oder (b) hohem Risiko für Influenza-Komplikationen
(Kinder < 2 J., Alte > 65 J., chronischen Erkrankungen (COPD, Herzinsuffzienz,
Diabetes mellitus, Immunsuppression), Schwangere, Pflegeheimbewohner). Empfehlung für
Neuraminidaseinhibitoren, bevorzugt Oseltamivir p.o.. Therapiebeginn frühstmöglich (nicht
Laborbestätigung abwarten) – spätestens innerhalb von 48 h. Bei schwerer, komplizierter oder
progressiver Erkrankung ist auch späterer Therapiebeginn möglich.
− bei ambulant erworbener Pneumonie ( 3.11.2) während Influenza-Häufung oder
Pandemie: frühzeitig Oseltamivir zusätzlich zur Antibiose; falls Influenza-PCR negativ
=> antivirale Therapie beenden
− zur Influenza-Prophylaxe: breite Post-/Präexpositionsprophylaxe nicht empfohlen,
erwäge Indikation bei Risikogruppen (s.o.)
Die Influenza-Impfung bleibt Mittel der ersten Wahl zur Influenza-Prophylaxe.
Neuraminidase-Hemmer sind kein Ersatz für eine Impfung, sollten aber gerade
bei Patienten mit hohem Komplikationsrisiko bei entsprechender Symptomatik
rasch angewendet werden.