Infektionen in der Pulmologie 163
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3.11.3 Nosokomiale Pneumonien
(S3-Leitlinie nosokomiale Pneumonie 2017)
Nosokomiale Pneumonien (HAP ≈ hospital acquired pneumonia) treten frühestens 48 h nach
Krankenhausaufnahme auf. Angloamerikanisch weitere Unterscheidung in Pneumonie infolge Kontakts
zu im Gesundheitswesen tätigen Personen (HCAP ≈ health care acquired pneumonia) oder unter
Beatmung (VAP ≈ ventilation acquired pneumonia).
Ursache für nosokomiale Pneumonien sind Grunderkrankung, verminderte Immunabwehr (Immunsuppression), teils
aber auch mangelnde Hygiene des Personals. HAP können sich bei spontan atmenden oder beatmeten Patienten
ereignen. Für eine VAP ist nicht das Beatmungsgerät verantwortlich, sondern neben o.g. Ursachen eine „stille
Aspiration“ (Risikofaktoren: Tubus/invasive Beatmung, Sedierung, ggfs. Relaxierung, fehlende Schutzreflexe,
Trauma, OP). Mehr als die Hälfte der stationären Patienten, v.a. Intensivpatienten, werden innerhalb der 1. Woche
mit nosokomialen Mikroorganismen besiedelt. Zwischen der Besiedlung und dem Auftreten nosokomialer Infektionen
besteht ein enger Zusammenhang. Durch Mikroaspiration kann (v.a. bei intubierten Patienten) die
abwehrgeschwächte Lunge besiedelt werden und sich eine Pneumonie entwickeln.
V.a. HAP bei (1) neuem, persistierenden oder progredienten Infiltrat (2) plus 2 von 3
Kriterien: Leukozyten > 10.000 oder < 4.000/μl, Fieber > 38,3OC, purulentes Sekret.
Denke differentialdiagnostisch u.a. an Atelektasen (Sekretverlegung), Herzinsuffizienz/Überwässerung,
Lungenembolie, alveoläre Hämorrhagie, interstitielle Lungenerkrankungen wie cryptogen organisierende
Pneumonie oder ARDS.
Risikofaktoren für nosokomiale Pneumonie mit multiresistenten Erregern:
− antimikrobielle Therapie in den letzten 90 Tagen
− Hospitalisation ≥ 5 Tage (late-onset)
− Kolonisation durch MRGN oder MRSA (Mehrzahl dieser Pat haben keine HAP durch diese Erreger)
− Medizinische Versorgung in Süd- oder Osteuropa, Afrika, Naher Osten, Asien
− Septischer Schock oder sepsisassoziierte Organdysfunktion
− Zusätzliche Risikofaktoren für Pseudomonas aeruginosa: strukturelle Lungenerkrankung
(fortgeschrittene COPD, Bronchiektasen), bekannte Kolonisation durch Pseudomonas aeruginosa
In der Leitlinie nicht erfasste weitere RF: Aufnahme aus Pflegebereich, Immunsuppression (Grunderkrankung o. Therapie)
Erregerspektrum:
− bei frühem Beginn (≤ 4 Tage nach KH-Aufnahme): Spektrum ambulant erworbene Pneumonie
(Pneumokokken am häufigsten, Staphylokokken, Haemophilus influencae) + Enterobacteriaceae (E.
coli, Klebsiellen, Proteus, Serratia), selten multiresistente Erreger
− bei spätem Beginn (ab 5. Tag): zusätzlich MRSA, Pseudomonas, Acinetobacter, Enterobacter,
Proteus, Serratia (Anteil an Pneumokokken und Staphylokokken somit geringer)
Diagnose bakterielle Erreger kalkulierte Initialtherapie
keine Risikofaktoren
für
resistente Erreger
− Pneumokokken, Staph.
aureus, H. influenca,
nicht-resistente
gramnegative Erreger
− Aminopenicllin/BLI i.v.: Ampicillin/Sulbactam (3-4 x 3
g), Amoxicillin/Clavulansäure (3 x 2,2 g)
− oder Cephalosporin Gr 3a i.v.: Cefotaxim (3 x 2 g),
Ceftriaxon (1 x 2 g)
− oder Fluorchinolon i.v.: Levofloxacin (2 x 500 mg),
Moxifloxacin (1 x 400 mg); kein Ciprofloxacin wegen
unzureichender Pneumokokkenwirksamkeit
mit Risikofaktoren
für
resistente Erreger
− zusätzlich: MRSA,
resistente gramnegative
Erreger, P. aeruginosa,
A. baumannii
− Piperacillin/Tazobactam (3-4 x 4,5 g) oder Cefepim (3
x 2 g) oder Ceftazidim* (3 x 2 g) oder Imipenem (3 x 1
g) oder Meropenem (3-4 x 1 g)
+/- („+“ bei sepsisassoziierter Organdysfunktion, invasiver Beatmung)
− Ciprofloxacin (3 x 400 mg) oder Levofloxacin (2 x 500
mg) oder Aminoglykosid (Gentamycin 1 x 3-7 mg/kg)
plus bei V.a. MRSA:
− Vancomycin (2 x 15 mg/kg) oder Linezolid (2 x 600mg)
Tab 3.26: empirische Antibiotikatherapie bei nosokomialer Pneumonie (S3-Leitlinie 2017)
* Ceftazidim nur in Kombination mit einer gegen grampositive Erreger wirksamen Substanz
Monotherapie bei nosokomialer Pneumonie ohne erhöhtes Risiko für multiresistente Erreger.
Kombinationstherapie bei V.a. multiresistente Erreger – besonders beim septischen Schock.
Anmerkungen:
− Erwäge 48-72 h nach Therapiebeginn Deeskalation: bei Besserung, aber fehlendem Erregernachweis
weiter mit Monotherapie durch initiales Betalaktam-AB (1. Wahl) oder Fluorchinolon (2. Wahl). Bei
Erregernachweis gezielte Monotherapie mit schmalem Spektrum.