Virusinfektionen 263
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9.6.4.3.3 Tuberkulose
Die Tuberkulose ist weltweit die wichtigste opportunistische Erkrankung bei HIV-Infizierten (die Tbc ist nur
bedingt eine opportunistische Infektion, da der Erreger obligat menschenpathogen ist). HIV-Infizierte
können unabhängig der CD4-Zellzahl in allen HIV/AIDS-Stadien an einer Tuberkulose erkranken. Die
Manifestation ist mit zunehmendem Immundefekt weniger eine klassische Lungentuberkulose, als ein
zunehmend bakteriämisch verlaufendes Krankheitsbild mit extrapulmonaler Manifestation: Lymphknoten-
Tbc, Meningitis, urogenitale Tbc (praktisch jedes Organ möglich).
HIV und Tuberkulose verstärken gegenseitig die Immunsuppression. Die Zunahme der Tbc ist eng mit
der HIV-Epidemie verbunden, wobei multiresistente Mykobakterien zunehmen (v.a. in Osteuropa). Unter
HAART nimmt die Tuberkulose-Inzidenz ab, jedoch ist die gleichzeitige antiretrovirale und antituberkulöse
Therapie durch zahlreiche Interaktionen und Nebenwirkungen kompliziert.
Therapie:
− übliche antituberkulöse Standardtherapie über 6 Monate ( 9.3)
Erläuterungen:
− Standardtherapie: 2-monatige Viererkombination mit Isoniazid + Rifampicin + Pyrazinamid +
Ethambutol, dann 4-monatige Zweierkombination mit Isoniazid + Rifampicin.
− Bei verzögertem Ansprechen (nach 2 Mo. noch positive Sputumkulturen) => 9-monatige
Therapie.
− Problematisch ist gleichzeitige antiretrovirale und antituberkulöse Therapie: in 25-60 % entsteht
ein Immunrekonstitutionssyndrom (IRIS), vermeide zudem gleichzeitige Therapie mit Rifampicin
und Proteaseinhibitoren wegen Interaktionen über CYP3A4.
− Rifabutin als mögliche Alternative zu Rifampicin (Kombination mit Proteaseinhibitoren möglich).
− Im Zweifel ist die Tuberkulose-Therapie gegenüber einer cART vorrangig => rasch synchrone
Therapie anstreben, aber zu Beginn der Tuberkulose-Therapie Verzicht auf Beginn der cART
(zumindest die ersten 2 Wochen bei CD4 < 100/μl bzw. die ersten 2 Monate bei CD4 100-200/μl).
9.6.4.3.4 Candida
Candidainfektionen zählen häufig zu den ersten klinischen Zeichen eines zunehmenden Immundefektes.
Sie sind die häufigsten Pilzinfektionen und treten nahezu bei allen HIV-Patienten mehrfach im Verlauf der
Erkrankung auf. Candidainfektionen betreffen zumeist nur Haut und Schleimhaut, bevorzugt von Mund
(oropharyngeale Candidose) und Ösophagus (Soor-Ösophagitis), bei Frauen zudem den Genitaltrakt
(Vulvovaginitis). Merke: jedem Immunsupprimierten sollte bei jeder Vorstellung in den Mund geschaut
werden.
Beachte: orale Candidose nicht mit Haar-Leukoplakie verwechseln (Haar-Leukoplakie: nicht abstreifbare
haarige Beläge an seitlichen Zungenrändern, durch Ebstein Barr Virus induziert, nicht therapiebedürftig,
wichtige Marker-Erkrankung für HIV).
Mit fortschreitender Grunderkrankung treten Candidainfektionen in Ösophagus, Trachea und Lunge auf.
Die systemische Ausbreitung mit hämatogener Streuung wie bei hämatologischen Grunderkrankungen ist
sehr selten und tritt auch im fortgeschrittenen Stadium kaum auf. Ausnahmen: Katheterinfektionen, unter
Breitspektrumantibiotika und bei Medikamenten-induzierter Neutropenie.
Therapie:
1. Wahl alternativ
leichte Infektion topisch: Amphotericin B oder Nystatin
schwere Infektion Fluconazol Itraconazol (eingeschränkt)
Fluconazol-refraktär Amphotericin B i.v. oder Caspofungin oder Voriconazol
Primärprophylaxe nicht empfohlen
Tab. 9.83