Impfungen 298
Infektio-Guide / KAROW PHARMAKOLOGIE 2022 Infektio-Guide / KAROW PHARMAKOLOGIE 2022 Infektio-Guide / KAR
9.7 Impfungen
Empfehlungen der STIKO (ständige Impfkommission) am Robert-Koch-Institut 2021/22
9.7.1 Einführung
aktive Immunisierung:
− prinzipiell gleiche Immunreaktion wie bei natürlicher Infektion
− Ziel ist eine dauerhafte Immunität gegen bestimmte Erreger oder deren Toxine
− Injektion i.m. bevorzugt in M. deltoideus, Säuglinge/Kleinkinder in M. vastus lateralis
− Impfabstände: siehe Impfkalender; grundsätzlich gibt es keinen unzulässig großen
Abstand zwischen Impfungen („jede Impfung zählt“), daher auch nach Unterbrechung
von Impfserien kein Neuanfang, sondern Komplettierung
− Lebendimpfstoffe: vermehrungsfähige, aber abgeschwächte Impferreger (gleiche
immunologische Eigenschaften, aber geringere Krankheitsintensität).
− Masern, Mumps, Röteln, Varizellen, Gelbfieber, Typhus (oral), Polio (Sabin), BCG, Rotaviren
− Impfschutz bereits nach einmaliger Impfung; zweite Impfung nicht zur Auffrischung, sondern für
vereinzelte Impfversager.
− üblicherweise ab 12. Lebensmonat, nicht vor dem 9. Lebensmonat (maternale Antikörper)
− Kombinationen: Lebendimpfstoffe können zeitgleich mit anderen Lebendimpfstoffen verabreicht werden, ansonsten
4 Wochen Abstand; Lebendimpfstoffe können ohne Zeitabstand mit Totimpfstoffen verabreicht werden.
− Tot-Impfstoffe: inaktive, nicht lebensfähige Erreger (induzieren v.a. nicht T-Zell-abhängige Immunität)
− nach einmaliger Impfung nur geringe Immunantwort, Impfschutz erst nach mehreren Impfungen +
Auffrischimpfungen (als Booster)
− Toxoide (Diphtherie, Tetanus): inaktive Bestandteile der Erregertoxine oder ausgewählte Antigene
(Hepatitis B): Produkte oder Bestandteile des Erregers, die eine zuverlässige Immunität induzieren
− Konjugat (Hepatitis B, Haemophilus influenza Typ B, Pneumokokken, Meningokokken, Pertussis
(azellulärer Impfstoff), Influenza, humane Papillomaviren, Typhus): inaktive antigene Partikel eines
Erregers werden an stärker immunogene Antikörper gekoppelt („konjugiert“)
− inaktive Erreger (Hepatitis A, FSME, Tollwut, Polio (Salk), Pertussis (zellulärer Impfstoff), Cholera):
inaktive Krankheitserreger als Ganzpartikelimpfstoff
− Kombinationen: Totimpfstoffe können ohne Zeitabstand mit allen anderen Impfungen kombiniert werden
passive Immunisierung:
− spezifische Immunglobuline, um Erreger oder Toxine zu neutralisieren: verfügbar gegen
CMV, Hepatitis B, RSV (≈ Palivizumab), Tetanus, Tollwut, Varizellen
− indiziert bei akuter Infektionsgefahr, aber fehlendem oder unsicherem immunologischem Schutz
− Wirkbeginn sehr schnell, Schutzdauer meist um 3 Monate (HWZ Antikörper 3-4 Wochen)
Impfungen
NEBENWIRKUNG:
− Impfreaktion (1:100): Rötung an Injektionsstelle + grippeähnlich. Üblicherweise innerhalb 72 h nach Impfung.
− Impfkrankheit: abgeschwächte Erkrankung nach Lebendimpfstoff (Impfmasern sind mit 2-5 % häufig),
meist 1-2 Wo. nach Impfung.
− Impfkomplikation (1:1.000): das übliche Maß überschreitende Schädigung
− Impfschaden (1:1.000.000): bleibender Schaden nach Impfung; Versorgungsamt entschädigt (s.u.)
− „Überimpfen“: zusätzlich verabreichte Impfdosen sind üblicherweise nicht gefährlich (nur lokale Reaktion mit
Schwellung, Rötung). Kombinationsimpfstoffe können (zur Verminderung der Injektionen) auch dann
verwendet werden, wenn nicht alle enthaltenden Komponenten erforderlich sind.
INDIKATION:
− in Deutschland besteht keine Impfpflicht, Impfungen sollen von den obersten Gesundheitsbehörden der
Bundesländer auf Grundlage der STIKO-Empfehlungen „öffentlich empfohlen“ werden, Entschädigung von
Impfschäden durch „öffentlich empfohlene“ Impfungen leisten die Bundesländer
KONTRAINDIKATION:
− akute Erkrankungen (Impfung frühestens 2 Wo. nach Genesung; Ausnahme: postexpositionelle Impfung)
− Allergien gegen Impfstoffbestandteile (z.B. gegen Hühnereiweiß bei Lebendimpfstoffen, da
Anzüchtung in Hühnereiern)
− im Einzelfall bei angeborenem oder erworbenem Immundefekt, Beachte: bei
Immundefekt ist serologische Kontrolle des Impferfolges indiziert
− Schwangerschaft, v.a. bei Lebendimpfstoffen (Gelbfieber, Masern, Mumps, Röteln, Varizellen)
Keine Kontraindikationen sind banale Infekte (incl. Temperaturen < 38.5 OC), möglicher Kontakt des Impflings zu Personen mit
ansteckenden Erkrankungen, Krampfanfälle in der Familie, Fieberkrämpfe des Impflings (erwäge Antipyretikum bei fieberhafter
Impfreaktion), Dermatosen, niedrige Glukokortikoiddosen, Antibiotikagabe, Schwangerschaft der Mutter des Impflings
(Varizellenimpfung nach Risikoabwägung), Immundefekte bei Totimpfstoffen, Neugeborenenikterus, Frühgeburtlichkeit, stillende
Frauen (Ausnahme Gelbfieber), gestillte Säuglinge, chronische Erkrankungen und nicht progrediente ZNS-Erkrankungen.
9.7.2