Infektionen in der Urologie
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17.4 Harnwegsinfektionen
(S3-Leitlinie 2017, PEG 2018)
Harnwegsinfektionen zählen zu den häufigsten ambulant erworbenen und nosokomialen Infektionen (bis
zu 40 % der nosokomialen Infektionen, davon bis zu 80 % auf Dauerkatheter und bis zu 10 % auf
urologisch-endoskopischen Eingriff zurückzuführen).
Abb. 17.1
Definitionen:
− unkomplizierte Harnwegsinfektion: unkompliziert ≈ keine funktionellen oder anatomischen
Anomalien, keine relevante Nierenfunktionsstörung oder Begleiterkrankungen (die eine
Harnwegsinfektion oder Komplikationen begünstigen)
− Zystitis (untere Harnwegsinfektion): nur Symptome des unteren Harntraktes: neue Schmerzen
bei der Miktion, imperativer Harndrang, Pollakisurie, Schmerzen oberhalb Symphyse
− Pyelonephritis (obere Harnwegsinfektion): Flankenschmerz, klopfschmerzhaftes Nierenlager u/o
Fieber (> 38OC)
− asymptomatische Bakteriurie: Kolonisation, aber keine Infektion. Früherer Terminus
„asymptomatische Harnwegsinfektion“ ist out, da missverständlich
− rezidivierende Harnwegsinfektion: Rezidivrate von ≥ 2 symptomatischen Episoden innerhalb 6
Monaten oder von ≥ 3 symptomatischen Episoden innerhalb 12 Monaten
Komplizierende Faktoren von Harnwegsinfektionen:
anatomische Veränderungen funktionelle Veränderungen
angeboren: Ureterabgangsstenose,
obstruktiver Megaureter, Harnblasendivertikel,
Harnröhrenklappen, Phimose
funktionell: Niereninsuffizienz, Harntransportstörung,
Entleerungsstörung Harnblase, Detrusor-Sphincter-Dyssynergie o.-
Dyskoordination
erworben: Nierensteine, Harnleitersteine,
Harnleiterstrikturen, Harnblasentumore, Prostatavergrößerung,
Urethrastriktur, Schwangerschaft,
Veränderungen nach OP o. Radiatio
Immunstörungen (angeboren oder erworben): HIV, Leberinsuffizienz,
immunsuppressive Therapie, Chemotherapie, dekompensierter
Diabetes mellitus
Intra- o. postoperative anatomische Veränderung o. Einbringen von
Fremdkörpern: Harnblasenkatheter, Harnleiterschienen, Nephrostomie
Tab. 17.7
Allgemeines:
− unterscheide Kontamination bzw. Besiedlung von echter Infektion
− Goldstandard in der HWI-Diagnose ist bei typischen Beschwerden die Urinuntersuchung incl. Urinkultur
− bislang übliches Kriterium für HWI: > 105 KBE (Kolonie-bildende Einheiten)/ml (sog. „signifikante
Bakteriurie“) für Mittelstrahlurin
− neu: bereits 103 bis 104 KBE/ml als signifikant bei Reinkultur (nur ein Art von Bakterien) eines typischen
Uropathogens plus klinische Symptome
Grenzwerte zur Diagnose von HWI (signifikante Bakteriurie):
Diagnose Bakterien Urin
akute unkomplizierte Zystitis (Frauen) 103 KBE/ml Mittelstrahlurin
akute unkomplizierte Pyelonephritis 104 KBE/ml Mittelstrahlurin
asymptomatische Bakteriurie 105 KBE/ml* Frauen: in 2 konsekutiven Mittelstrahlurin-
Proben; Männer: in 1 Mittelstrahlurin
Tab. 17.8 * Bei Gewinnung durch Katheter und einzelne Bakterienspezies: 102KBE/ml
Urinkultur aus suprapubischer Harnblasenpunktion: jede Erregerzahl mit Uropathogenen ist signifikant.
Uringewinnung: o.g. Grenzwerte gelten für Mittelstrahlurin. Vorgehen: (1) am besten erster Morgenurin (letzte Miktion
≥ 4 h) (2) vor antibakterieller Therapie (3) zwecks Minimierung von Kontamination: Spreizung der Labien und Reinigung
des Meatus urethrae der Frau bzw. der Glans penis des Mannes mit Wasser, dann Gewinnung von
Mittelstrahlurin.
Harnwegsinfektionen
Hohlrauminfektionen:
Urethritis, Zystitis
Parenchyminfektionen
Pyelonephritis, Prostatitis, Epididymitis